Der Europäische Verfassungsvertrag
On 12. Oktober 2018 by organickoala176Elmar Brok , Vorsitzender der EVP Convention Group im Konvent und Vorsitzender des Auswaertigen Ausschusses im Europaeischen Parlament:
Am 18. Juni 2004 wurde in Brüssel der vom Konvent erarbeitete Verfassungsvertrag von den 25 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterzeichnet. Den Iren ist es gelungen, 90 Prozent der Reformideen des Konvents in die Verfassung
einfließen zu lassen: Das Modell der doppelten Mehrheit im Rat wurde mit anderen Prozentsätzen (Mehrheit von 55% der Staaten, 65% der Bürger) aufgenommen und ergänzt (für die Ablehnung werden mindestens 4 Staaten benötigt). Die Verkleinerung der Kommission, nach der jeweils 2/3 der Mitgliedstaaten nach einem Rotationsprinzip Kommissare stellen, wurde auf 2014 festgelegt.
Bei der Regierungskonferenz wurde eine Europäische Verfassung – in Form eines Verfassungsvertrags – verabschiedet, gestützt auf den Willen der Staaten und Bürger und damit auf eine doppelte Legitimität. Der Text des Konvents wurde, wie bereits erwähnt, mit wenigen Änderungen übernommen. Die Charta der Grundrechte wurde als integraler, rechtsverbindlicher Bestandteil in die Verfassung aufgenommen. Der Status der Kirchen ist in Artikel I-51 gesichert und in der Präambel ist ein deutlicher Hinweis auf das religiöse Erbe der Europäischen Union enthalten. Die Charta der Grundrechte ist am christlichen Menschenbild ausgerichtet. Die Säulenstruktur der Europäischen Union ist abgeschafft worden und es besteht nun eine einheitliche Rechtspersönlichkeit der Union.
Das Europäische Parlament ist mit dem Rat Gesetzgeber und Haushaltsbehörde und wählt den Kommissionspräsidenten nach Vorschlag des Europäischen Rates, basiert auf die Ergebnisse der Europawahlen. Die Höchstzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments ist auf 750 begrenzt worden, bei einer Mindestzahl von 6 Abgeordneten und einer Obergrenze von 96 Abgeordneten für die einzelnen Mitgliedstaaten.
Die Schaffung des Amtes eines Europäischen Außenministers, der Mitglied der Kommission, Hoher Beauftragter und Vorsitzender des Außenministerrates ist, und ein europäischer Auswärtiger Dienst werden die Vertretung der EU nach Außen verbessern und verdeutlichen. Die Aufnahme einer Solidaritätsklausel gegen terroristische Angriffe und Katastrophen verankert die Union als eine Union des Friedens, gegründet auf die Werte der Demokratie und Freiheit. Ein Rüstungsamt und strukturelle Zusammenarbeit einer Avantgarde in der ESVP – einschließlich Beistandsverpflichtung – stärken Europas Handlungsfähigkeit als Partner in der NATO und zur Sicherung des Friedens.
Die drei von dem Laekener Gipfel genannten Ziele der Transparenz, Demokratie und Handlungsfähigkeit sind auch durch folgende Regeln gewährleistet: die Anzahl der Entscheidungsinstrumente ist vereinfacht und verringert worden auf Gesetz, Rahmengesetz, Verordnung und Beschluss. Verordnungen und Richtlinien werden nach Ratifizierung der Verfassung „Europäisches Gesetz“ und „Europäisches Rahmengesetz“ genannt werden.
Das Unionsrecht hat ausdrücklichen Vorrang und das Mitentscheidungsverfahren – mit qualifizierter Mehrheit im Rat – wird das normale Gesetzgebungsverfahren, mit Ausnahmen. Eine erhöhte Transparenz ist durch die Öffentlichkeit der legislativen Ratssitzungen gesichert.
Die Kompetenzstruktur ist klarer, abgegrenzter als bisher. Ihre Verletzung kann durch jedes einzelne nationale Parlament in einem Frühwarnverfahren und vor dem EUGH einer Prüfung unterzogen werden.
Die Ausdehnung der Mehrheitsentscheidungen im Rat bezieht sich vor allem auf die Rechts- und Innenpolitik und stärkt so die Instrumente der EU zum Schutz des Bürgers. Das Verfahren gibt durch die zeitlich befristete Einschaltung des Europäischen Rates aber auch die Gewähr der Wahrung nationaler Interessen.
Soziale Sicherungssysteme und Steuern unterliegen weiterhin der Einstimmigkeit.
Im letzten Augenblick ist es gelungen, Angriffe auf die EZB abzuwähren. Sie steht jetzt stärker dar als zuvor. Die Preisstabilität ist nun auch als Ziel für die gesamte EU festgeschrieben.
Der Verfassungsvertrag stellt im Hinblick auf die Forderungen der EVP und der CDU/CSU eine positive Veränderung zum Vertrag von Nizza dar. Nicht alles, aber das allermeiste unserer Positionen haben wir in Konvent und Regierungskonferenz durchgesetzt: Transparenz, Effizienz und Demokratie sind ausgebaut worden, die EU ist einem Wertekanon aus christlichem Denken unterworfen. 25 Nationen sind damit auf dem Weg, sich gemeinsame zukunftsorientierte Regeln zu geben und gleichzeitig ihren Bestand und ihre Identität in einem geeinten Europa in einer globalen Ordnung zu sichern.
Elmar Brok (CDU Nordrhein-Westfale) war Vertreter des Europäischen Parlaments in der Regierungskonferenz und EVP-Fraktionsvorsitzender im Konvent für den Verfassungsvertrag.
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